Anfänge der Telephonie in Deutschland in Berlin 1880

Bau der ersten deutschen Stadtfernsprechanlage durch die Reichspost.

 
Bekanntmachung , erschienen im Juni 1880 im Auftrag von Emil Rathenau
Fernsprechverbindungen für Berlin
Um festzustellen, ob für Berlin ein Bedürfnis vorhanden ist, die Wohnungen, Geschäftslokale, Fabrikanlagen pp. solcher Personen, welche sich des Fernsprechers als Verkehrsmittel bedienen wollen, in entsprechende Verbindung zu bringen und jedem Theilnehmer die Möglichkeit zu gewähren, sich zu jeder Zeit mit jedem anderen Theilnehmer mittels des Fernsprechers in Vernehmen zu setzen, werden diejenigen Personen, welche eine Einrichtung der vorstehend erörterten Art wünschen sollten, hierdurch aufgefordert, sich dieserhalb schriftlich, oder während der Dienststunden von 9 Uhr Vormittags bis 3 Uhr Nachmittags persönlich, an das Telegraphenbetriebs-Büreau des Reichs-Postamts, Französische Str. 33c, Zimmer 149 zu wenden, welches die nähere Auskunft über die bezüglichen Einrichtungen sowohl, als auch über die Bedingungen der Theilnahme ertheilen wird.
Der Staatssecrestair des Reichs-Postamts.
 
Bedingungen für die Anlage und die Benutzung von Telegraphenleitungen in Berlin, welche mittels Fernsprechers betrieben werden.
Falls für den Betrieb mittels des Fernsprechers in Berlin und der näheren Umgegend Telegraphenleitungen von dem Reichs-Postamte angelegt und unterhalten sowie mit den erforderlichen Apparaten versehen werden, können dieselben, gegen Zahlung einer jährlichen Gebühr, an Behörden und Privatpersonen zur Benutzung überlassen werden. Mittels solcher Fernsprechleitungen würde die Verbindung hergestellt werden können zwischen zwei oder mehreren Lokalen desselben Theilnehmers ohne Berührung einer Reichs-Telegraphenanstalt, oder zwischen der Behausung des betr. Theilnehmers und der Reichs-Telegraphenanstalt. Durch die telegraphische Verbindung mit der Reichs-Telegraphenanstalt mittels Fernsprechers würde der betreffende Theilnehmer in die Lage versetzt, sich in jedem Augenblicke direct mit jedem anderen Inhaber einer solchen Einrichtung zu unterhalten; er könnte ferner der Reichs-Telegraphenanstalt jede andere Mittheilung direct zukommen lassen,welche mit der Rohrpost oder telegraphisch an einen beliebigen Empfänger in der Stadt oder nach einem anderen Orte befördert zu haben wünscht.
Die jährliche Gebühr für die Benutzung einer Fernsprechleitung bis zu 2 km Länge würde betragen:
1. Wenn zwei Lokale desselben Theilnehmers unmittelbar miteinander verbunden werden, einschließlich der beiden zugehörigen Fernsprecher nebst Zubehör
M 120,00
2. Bei Verbindung eines Lokales mit der Reichs-Telegraphenanstalt, einschließlich der aufzustellenden Apparate, sowie der Bedienung der Apparate in der Reichs-Telegraphenanstalt, um die Theilnehmer nach Bedarf untereinander zu verbinden

M 200,00
 
Bei längeren Leitungen erhöht sich die jährliche Gebühr in beiden Fällen für jeden weiteren Kilometer Leitung oder einen Theil desselben jährlich um


M   50,00
  Sollten  mehrere Lokale desselben Teilnehmers mittels einer Leitung miteinander verbunden werden, dann würde die Gebühr für die Ausrüstung pp. des dritten und jedes weiteren Lokals mit den erforderlichen Apparaten jährlich betragen

M   20,00
Den vorstehend angegebenen Gebühren treten die Selbstkosten der Telegraphenverwaltung für diejenigen Entschädigungen hinzu, welche etwa in einzelnen Fällen für die Benutzung von Privat- pp. Grundstücken zur Anbringung der Leitungsstützpunkte sollten zu zahlen sein.
Für die Aufnahme und Bestellung einer Nachricht, welche der Reichs-Telegraphenanstalt durch einen telegraphisch mit ihr verbundenen Theilnehmer mittels Fernsprechers übermittelt wird, würden, wenn der Empfänger innerhalb des Bestellbezirks der betreffenden Reichs-Telegraphenanstalt wohnt, je eine Grundtaxe von 10 Pfennig, ohne Rücksicht auf die Wortzahl, und eine Worttaxe von 1 Pfennig für jedes Wort zu erheben sein. Wohnt der Empfänger nicht in dem Bestellbezirk derjenigen Telegraphenanstalt, mit welcher der Absender telegraphisch verbunden ist, oder ist die betreffende Nachricht nach außerhalb gerichtet, so kommen außerdem die tarifmäßigen Gebühren für die Weiterbeförderung mit der Rohrpost oder mittels des Telegraphen zur Erhebung. Die hiernach für die Aufnahme und Weiterbeförderung der betreffenden Nachricht entfallenden Gebühren sind am Schlusse eines jeden Monats zu entrichten. Hierbei kommen die in Betreff der Stundung von Telegraphengebühren allgemein gültigen Bestimmungen in Anwendung.
Die Zahlung der Jahresbeträge hat jährlich im Voraus zu erfolgen. Bei nicht pünktlicher Zahlung oder bei nachgewiesener mißbräuchlicher Benutzung der fraglichen Einrichtung durch einen Theilhaber steht dem Reichs-Postamt die sofortige Aufhebung der betreffenden telegraphischen Verbindung zu. Die bereits eingezahlten Gebührenbeträge werden nicht zurückerstattet. Eine etwa eintretende Unterbrechung einer Fernsprechverbindung der in Rede stehenden Art begründet nur dann einen Anspruch auf Rückerstattung der für den betreffenden Zeitraum gezahlten Gebühr, wenn die Unterbrechung mindestens 4 Wochen, vom Tage der Anmeldung derselben an gerechnet, ununterbrochen gedauert hat.
Über die beiderseits übernommenen Verpflichtungen würde ein Vertrag, bei kürzeren Leitungen mindestens auf die Dauer von 2, bei längeren Leitungen auf die Dauer von 4 Jahren mit der Maßgabe abgeschlossen, daß der Vertrag sich um ein Jahr und später von Jahr zu Jahr stillschweigend verlängert, wenn von keiner Seite 3 Monate vor Ablauf des Vertrages eine Kündigung erfolgt. Die Stempelkosten des Vertragsschlusses sind von dem betr. Theilnehmer zu tragen.
 
Anweisung-1
Anweisung-2



Bau der ersten deutschen Stadtfernsprechanlage in Berlin durch die Reichspost. Emil Rathenau ist auf Ersuchen der Postverwaltung bemüht, Teilnehmer dafür zu gewinnen.

 Mitte Juni 1880 erschien in den Berliner Zeitungen folgende Bekanntmachung:

 „Fernsprechverbindungen für Berlin.

 

Um festzustellen, ob für Berlin ein Bedürfnis vorhanden ist, die Wohnungen, Geschäftslokale, Fabrikanlagen p. p. solcher Personen, die sich des Fernsprechers als Verkehrsmittel bedienen wollen, in entsprechende Verbindung zu bringen, und jedem Teilnehmer die Möglichkeit zu gewähren, sich zu jeder Zeit mit jedem anderen Teilnehmer mittels des Fernsprechers ins Vernehmen zu setzen, werden diejenigen Personen, die eine Einrichtung der vorstehend erörterten art wünschen sollten, hierdurch aufgefordert, sich deshalb schriftlich oder während der Dienststunden von 9 Uhr vormittags bis 3 Uhr nachmittags persönlich an das Telegraphenbetriebsbureau des Reichs- Postamts, Französische Straße 33e, Zimmer 149, zu wenden, das die nähere Auskunft über die Einrichtungen und über die Bedingungen der Teilnahme erteilen wird.

 Der Staatssekretär des Reichs – Postamts.“

Mit der technischen Ausführung des Baues betraute das Reichs – Postamt einen in der Herstellung von Telegraphenanlagen wohlerfahrenen Reichs – Postbeamten (Telegraphensekretär Hackethal in Berlin). Die obere Leitung der Bauarbeiten lag in den Händen des Geheimen Postrats im Reichs – Postamt Ludewig. Außerhalb der Verwaltung stehende Personen hatten somit bei diesen technischen arbeiten nicht mitzureden.

Von jener Bekanntmachung allein versprach sich nun Stephan, angesichts der auf diesem Gebiete bisher gesammelten Erfahrungen, keinen hinreichenden erfolg. Es erschien ihm notwendig, dass das kaufmännische Berliner Publikum zur Betätigung eines wirklichen Interesses für die Sache noch besonders bearbeitet wurde. Das Reichs – Postamt ersuchte deshalb unterm 1. Juli 1880 die Ältesten der Kaumannschaft von Berlin um Namhaftmachung einer Persönlichkeit, die für eine derartige, gegen Entgelt auszuübend Agententätigkeit geeignet erschien, also auch unter den Berliner Firmen bescheid wusste. Die Ältesten schlugen dem Reichs – Postamt unterm 26. Juli 1880 zwei Berliner Herren hierfür vor. Der eine davon war der Ingenieur E. Rathenau, Eichhornstraße 5. Das Reichs – Postamt trat mit beiden durch einen seiner vortragenden Räte in Verhandlung, die dahin führte, dass Emil Rathenau die gedachte Tätigkeit auf vorläufig unbestimmte Zeit übernahm. In mehrfacher Hinsicht bemerkenswert ist der nachstehend hier erstmalig veröffentlichte Wortlaut eines Briefes, den Rathenau damals, während mit ihm noch verhandelt wurde, an jenen Referenten des Reichs – Postamts richtete.

 „Berlin W, Eichhornstraße 5, den 19. August 1880.

Herrn Geheimen Oberpostrat Krüger hier.

 

Bezugnehmend auf die Unterhaltung, die ich mit Ew. Hochwohlgeboren am Dienstage zu führen die Ehre gehabt habe, ferner auf das gefällige Schreiben des Herrn Geheimrat Ludewig vom 5. a. e., kann ich meinen ergebenen Dank für das mir durch die bezügliche Offerte erwiesene Vertrauen hierdurch auszusprechen nicht unterlassen.

Wiewohl es mir zur hohen ehre gereichen würde, unter den Auspizien der Reichs – Postverwaltung meine Tätigkeit dem Unternehmen zu widmen, dem ich seit Jahren meine Studien und Sympathien zugewandt habe, so möchte ich doch zu bemerken mir gestatten, dass die Stellung eines Agenten, lediglich zur Ermittlung von Teilnehmern für die allgemeine Fernsprechanlage in Berlin, meinen Neigungen und vielleicht auch Fähigkeiten weniger entsprechen würde als die eines Vertreters, welche die bezüglichen Vorfragen und Verhandlungen mit dem Publikum so zu erledigen gestattet, dass der Abschluss der Verträge ohne weiteres erfolgen könnte.

Meiner unmaßgeblichen Meinung nach würde dadurch erheblich nicht nur an Zeit und Mühen gespart, sondern die Sache selbst wesentlich gefördert und das Vertrauen des Publikums zu einem fachmännisch gebildeten Vertreter gestärkt. Denn wiewohl ich nicht zweifle, dass meine bisherigen Beziehungen zur Bank- und Handelswelt mir nicht weniger die Wege bahnen werden als meine vielen Verbindungen mit hervorragenden Industriellen aus der Zeit meiner Tätigkeit als Inhaber der Maschinenfabrik M. Weber, hier, und obgleich ich ferner voraussetzen darf, dass meine Erfahrungen als Ingenieur auf dem in Rede stehenden Gebiete nicht ohne Nutzen für meine Bestrebungen bleiben werden, so verhehle ich mir nicht, dass die Einwohner unserer Stadt neuen Einrichtungen gegenüber stets ungewöhnliche Kälte bewahrt haben, und dass auch das neue Unternehmen in den nächsten Jahren Schwierigkeiten nach dieser Richtung zu begegnen haben wird, welche eine vertrauenerweckende Stellung leichter zu überwinden vermag. Sollten übrigens Garantien für Erfüllung der zu erweiternden Befugnisse wünschenswert sein, so bi ich gern bereit, Sicherheiten zu bestellen.

Hinsichtlich einer für meine Bemühungen zu gewährenden Entschädigung enthalte ich mich jedes Antrages, stelle dieselbe vielmehr dem gefälligen Ermessen der Reichs – Postverwaltung anheim. Sollte aber meine Mitwirkung nur vorübergehend oder für einen verhältnismäßig kürzeren Zeitraum beansprucht werden, so würde ich unter Verzicht einer Entschädigung es als Ehrensache betrachten, an der Förderung eines Unternehmens mitgewirkt zu haben, welches segensreich für die Entwicklung des hauptstädtischen Verkehrs werden wird.

Ew. Hochwohlgeboren

ergebener           

gez. Emil Rathenau.“

 

 

Aus diesem Schreiben geht hervor, dass Emil Rathenau, der damals schon seit mehreren Jahren nach außen hin untätig in Berlin lebte, gern auf das ihm gemacht Anerbieten einging, obwohl es auch auf der von ihm gewünschten erweiterten Grundlage, die das Reichs – Postamt ihm bereitwillig zugestand, organisatorische oder andere bedeutend Aufgaben nicht in sich schloss: Bei Rathenaus Tätigkeit kam es darauf an, dass er durch persönliche Einwirkung in den ihm nahestehenden kaufmännischen Kreiden in Berlin für eine Beteiligung am Stadtfernsprechverkehr weitere Stimmung machte, dass er die für ein Abonnement gewonnenen Personen ein ihm von der Postverwaltung geduckt geliefertes Vertragsformular unterzeichnen ließ und dass er den Interessenten außerdem an der Hand der im Reichs – Postamt ausgearbeiteten „allgemeinen Bedingungen für die Benutzung der Stadtfernsprecheinrichtung“ sachgemäße Auskünfte erteilte.

Damit sich Emil Rathenau bei seiner Tätigkeit als Beauftragter der Reichs – Postverwaltung jederzeit ausweisen konnte, versah ihn das Reichs – Postamt mit einer Vollmacht nachstehenden Inhalts:

„Berlin W, den 6. September 1880.

 

Vollmacht.

Herr Emil Rathenau, Eichhornstraße 5, hierselbst, wird hierdurch ermächtigt, wegen Benutzung der Fernsprechanlagen, welche von der Reichs – Postverwaltung für Berlin angelegt werden, mit den Teilnehmern aus dem Kreise des Publikums die erforderlichen Verhandlungen zu führen und die entsprechenden Verträge, vorbehaltlich der diesseitigen Genehmigung, abzuschließen.

                                                                                                              Reichs – Postamt II. Abteilung

                                                                                                               gez. Budde.“

 

Neben diesen Arbeiten übernahm es Emil Rathenau einige Monate später, im Auftrage des Reichs – Postamts mit den Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin, vertreten durch den Geheimen Kommerzienrat W. Herz, die allgemeinen Bedingungen zu erörtern, unter denen Börsenbesuchern während der Börsenzeit der Fernsprechverkehr mit Teilnehmern an der Berliner Stadtfernsprecheinrichtung gestattet werden sollte. Nachdem die Bedingungen festgelegt worden waren, teilte Emil Rathenau sie den Börsenbesuchern durch Rundschreiben mit. Bis April 1881, wo dieser Sprechverkehr ins Leben trat, hatten sich ganze 26 Börsenbesucher als Teilnehmer gemeldet. Darunter befanden sich 22 Firmen und Bankhäuser und 3 Zeitungen (Rudolf Mosse – Berliner Tageblatt, National – Zeitung und Berliner Börsenkurier). In 9 von dem Ältestenkollegium hergerichteten Sprechzellen wurde der Verkehr in der Börse abgewickelt. (Die erste öffentliche Sprechstelle kam ein Jahr später dort in Betrieb.) Man sieht hieraus, wie zurückhaltend sich selbst die Berliner Börsenwelt der neuen Verkehrseinrichtung gegenüber verhielt, solange sich die Anlage noch nicht im Betriebe befand. „Eine beträchtliche Steigerung der Börsenverbindungen wird erst zu erwarten sein,“ – schrieb Emil Rathenau im Dezember 1880 an den Geheimen Oberpostrat Ludewig „wenn durch bessere Kenntnis herrschende Vorurteile auch in diesen Kreisen besiegt sind.“ „Richtig“, schrieb Stephan, den Ludewig diesen Brief Rathenaus vorgelegt hatte, als Randvermerk dazu.

Auch die Anmeldungen aus dem Berliner Publikum für die geplante allgemeine Stadtfernsprecheinrichtung gingen nicht minder spärlich ein, trotz der Werbetätigkeit Rathenaus und nicht zuletzt auch der persönlichen Bemühungen Stephans, in den kaufmännischen Kreisen der Reichshauptstadt, mit denen den volkstümlichen Generalpostmeister vielseitige Beziehungen verknüpften, Abonnenten zu gewinnen. Nur „mit sanfter Gewalt bewog er einige Häupter von führenden Bankhäusern und industriellen Firmen Berlins, ihre Teilnahme na der Berliner Fernsprechanlage zu erklären, was unter Kopfschütteln und mehr aus Gefälligkeit als aus Überzeugung von den etwa zu erwartenden Vorteilen geschah“. Als die eine der beiden für Berlin vorgesehenen Vermittlungsanstalten am 12. Januar 1881 in dem Telegraphendienstgebäude, Französische Straße 33c, zunächst versuchsweise in Betrieb genommen wurde, hatte sie, sage und schreibe, 8 Teilnehmer. Es waren das die Mitteldeutsche Kreditbank, Bankgeschäft Jacob Landau, der Geheime Kommerzienrat G. von Bleichröder, die Direktion der Diskontogesellschaft, die Deutsche Bank, die Direktion der Großen Berliner Pferdeeisenbahn – Aktiengesellschaft, Bankgeschäft Karl Schlesinger – Trier (Behrenstraße 20) und Cäsar Wollheim (Kohlen und Metalle). In Berliner Zeitungen wurde damals auf dieses „Ereignis“ mit folgenden, unter den tatsächlich obwaltenden Verhältnissen uns jetzt etwas heiter stimmenden Worten hingewiesen: „Mit jedem neuen Anschluss mehrt sich der Nutzen und die Bedeutung der allgemeinen Fernsprechanstalt auch für den einzelnen Teilnehmer. Da die Fernsprechzentrale vom Augenblicke der Inbetriebsetzung an zur großen Befriedigung der an sie Angeschlossenen arbeitet, haben sich sogleich mehrere Personen und Geschäftshäuser weiter als Teilnehmer in die Listen der Reichs – Telegraphenverwaltung eintragen lassen.“

Das erste Berliner Teilnehmerverzeichnis erschien März 1881, als die Inbetriebnahme der ganzen Anlage bevorstand. Da es nur 48 Teilnehmer, einschließlich der 9 Börsensprechstellen, umfasste, war es noch in Metalldruck hergestellt und bestand aus 4 halben Bogenseiten. Außer den schon genannten 8 Teilnehmern gehörten zu diesen ersten Abonnenten: Bankgeschäft Gebrüder Arons, Ferd. Vogts & Cie. (Zimmereinrichtungen), Geh. Kommerzienrat Liebermann, Rathenau & Arnheim (Tuch und Buckskinen gros), L. & S. Abraham (Gardinen und Möbelstoffe), Julius Isaac (Fischbei- und Rohrfabrik), Maschinenbauanstalt Karl Beermann, Bankgeschäft Goldstein, Pintus & Co., Brasch & Rothenstein (Spedition), Verlag der National – Zeitung, Siepermann (Direktor der Internationalen Eisenbahn – Schlafwagengesellschaft), Bankgeschäft Mendelsohn & Cie., Bank für Handel und Industrie, Bankgeschäft S. Frenkel, Zeitungsverlag des Berliner Börsenkuriers, Bankgeschäft Rob. Warschauer & Co., Bankgeschäft Cohn Bürgers & Co., Gebr. Buhlmann (Posamentierwaren), Goschenhofer & Rösicke (Wäsche), Dossische Zeitung, Adolf Salomon & Co. (Leder und Produkte), Buchdruckerei H. S. Hermann, I. Ravené Söhne & Cie. Herrmann Berson, Treu & Auglisch, Hofbuchdruckerei W. Möser, Verlag Rudolf Mosse (Berliner Tageblatt), Ingenieur E. Rathenau, Kühl & Rösicke (Passementerie) sowie das Reichsamt des Innern und die Reichsdrucker.

Mit diesem Teilnehmerkreise wurde die Berliner Stadtfernsprecheinrichtung am 1. April 1881 endgültig eröffnet. Es hatte Stephan, der Postverwaltung und Rathenau, von dem über 1000 im Reichs – Postamt im Druck hergestellte Werbeschreiben losgelassen worden waren, wirklich Mühe gekostet, die kleine Schar, der sich Rathenau selbst noch mit anschloss, zusammenzubringen. Auch der technische Bau der Anlage war mit Schwierigkeiten verknüpft gewesen. Diese entsprangen mangelndem Entgegenkommen einzelner, nämlich der Besitzer der Häuser, bei denen sich die Notwendigkeit ergab, auf dem dache Stützpunkte für die darüber hinwegführende Drahtleitung anzubringen. Die Widerstände, die hierbei in Berlin im Gegensatze zu andern Orten, wie Mülhausen (Elf.) und Hamburg, überwunden werden mussten, waren teilweise so groß, dass trotz der vorläufig so geringen Ausdehnung der Berliner Fernsprechanlage drei Telegraphenbaubeamte damit zu tun hatten, um von jenen Hausbesitzern die erforderlichen Zustimmungserklärungen zu erlangen. Der damit verknüpfte Aufwand an Zeit und Mühe wäre noch größer gewesen, wenn nicht der Berliner Magistrat durch eine Bekanntmachung in seinem Kommunalblatte sein reges Interesse für das neue Unternehmen bekundet und die Bezirksvorsteher ausdrücklich aufgefordert hätte, den Hausbesitzern klarzumachen, dass ihrerseits dem gemeinnützigen Zwecke der Verkehrsanlage durch möglichste Willfährigkeit am besten gedient werde. Die Stadt Berlin war außerdem so entgegenkommend, bei sämtlichen städtischen Gebäuden die Aufstellung von Leitungsstützpunkten bedingungslos zu gestatten. Kaum waren dann bis Frühjahr 1881 die Stützpunkte für die ersten Fernsprechleitungen angelegt worden, als der weiteren Ausbreitung des Fernsprechnetzes in der Reichshauptstadt ein neues Hindernis erstand. Das war die Blitzgefahr. Hatten die Hausbesitzer, als ihnen die Zustimmungserklärungen von der Postbehörde während des Winters abgerungen wurden, daran noch nicht gedacht, so trat sie ihnen jetzt um so lebendiger vor Augen, zumal Leute, die von der Sache in Wirklichkeit nichts verstanden, in wissenschaftlich gefärbten Aufsätzen von den Fernsprechgestängen auf den Dächern zu orakeln wussten, dass sie bei Gewittern geradezu eine Gefahr für die Häuser bedeuteten. So zog sich bei den Berliner Hausbesitzern eine schwere Wolke des Unmuts zusammen, die ihren entschiedensten Einspruch gegen die bereits aufgestellten oder weiter geplanten Dachstützpunkte der Fernsprechleitungen auslöste – bis das erste große Gewitter Mitte Juni 1881, das über Berlin niederging, auch hier sine reinigende Wirkung ausübte. Selbst die stärksten elektrischen Entladungen ließen die gesamte oberirdische Stadtfernsprechanlage unberührt, und es zeigte sich, dass sie mit ihren eingebauten, zur Erde führenden Blitzableitungen statt gefahrbringend zu wirken, im Gegenteil einen Schutz gegen die Blitzgefahr bildete. Mit dieser Erkenntnis war für die Entwicklung der Berliner Stadtfernsprechanlage nunmehr freie Bahn geschaffen. Noch gerade zur rechten Zeit. Denn mit so kritischen Augen auch das Berliner Publikum selbst noch die Vorbereitungen für die Herrichtung der Anlage betrachtet hatte – nun, wo sie im Gange war und dank ihrer gediegenen Ausführung vom ersten Tage an einwandfrei arbeitete, wurde man sich der Vorzüge, die sie bot, plötzlich in einem Maße bewusst, dass die Postverwaltung alle Hände voll zu tun bekam, um die sich meldenden neuen Teilnehmer anzuschließen. Als Ende Juni 1881, wo sich die Zahl der Abonnenten inzwischen bereits verdreifacht hatte, an einem Tage über 400 Verbindungen in Berlin ausgeführt worden waren, schrieb die Dossische Zeitung (in ihrer Nummer vom 2. Juli) hierzu folgendes: „Welche Leistung hierin enthalten ist, wird leicht übersehen. Rechnet man jede verbundene Leitung im Durchschnitt nur 1 ½ km lang – in Wirklichkeit sind deren bis 13 km Länge vorhanden -, so werden durch 400 Verbindungen 2 x 1200 = 2400 km Botengänge (hin und zurück) erspart. Nimmt man die Tagesleistung eines Boten auf 24 km an, so wird demnach die Dienstleistung von 100 Boten entbehrlich, die indessen auf den ganzen Tag verteilt werden müsste, während der Hauptfernsprechverkehr auf die Stunden von 9 – 2 Uhr fällt. Die Hauptsache bleibt aber für die Teilnehmer die Zeitersparnis. Diese beträgt für 2400 km täglich bei rund 15 Minuten Zeitaufwand für 1 km nicht weniger als 600 Stunden! Von welchem Vorteil es außerdem ist, im unmittelbaren mündlichen Verkehr die bei Bestellungen durch andere und bei flüchtigen Notizen sonst vorkommenden Irrtümer und Missverständnisse vermeiden zu können, vermag nur der Beteiligte im ganzen Umfange zu ermessen.“ Der Verfasser dieser Notiz hätte zur Vervollständigung der Vorzüge des neuen Berliner Verkehrsmittels unbedenklich auch noch dessen Billigkeit mit anführen können angesichts der Höhe des Jahresabonnements in anderen Ländern. Denn während der Teilnehmer in Frankreich (ausschließlich Paris) 400 Franken = 320 Mark und in Paris selbst 600 Franken – 480 Mark, in England 450 bis 500 Mark und in New York sogar 1060 Mark) bei einer bis 2 km langen Anschlussleitung zu zahlen hatte, verlangte die Reichspost dafür nur 200 Mark.

Die technischen Anlagen der jungen Berliner Stadtfernsprecheinrichtung zogen alsbald die Aufmerksamkeit anderer Verkehrverwaltungen auf sich. Schon in den beiden ersten Betriebsmonaten kamen u. a. aus Belgien, Frankreich und Ägypten höhere Fachbeamte und Ingenieure nach Berlin, um die Bauausführung sowie die Einrichtung der Sprechstellen und der Vermittlungsanstalten eingehend zu studieren.

Die Sprechstellen der Teilnehmer waren mit zwei patentierten Siemensschen Fernsprechern ausgestattet, von denen der eine zum Hören, der andere zum Heben diente. Bei jedem Teilnehmer war außerdem ein Klingelweckerwerk aufgestellt, das sich selbsttätig ein- und ausschaltete. In der Fernsprechvermittlungsstelle stand jede der eingeführten Anschlussleitungen mit einer Signalvorrichtung in Verbindung. Diese brachte beim Anruf eines Teilnehmers ein elektrisches Läutewerk zum Tönen und ließ gleichzeitig dessen Teilnehmernummer in die Erscheinung treten. Die einzelnen Signalvorrichtungen waren, zu je 50 zusammen, in einem schrankartigen Behältnis untergebracht (Klappenschrank). Durch besondere Umschaltevorrichtungen war dafür gesorgt, dass die an zwei verschiedene Klappenschränke herangeführten Teilnehmerleitungen sowohl innerhalb derselben Vermittlungsanstalt als auch zwischen verschiedenen Vermittlungsanstalten miteinander verbunden werden konnten).

Noch im ersten Betriebsjahre (1881) mussten infolge ständiger Zunahme der Teilnehmerzahl neben den beiden vorhandenen Vermittlungsanstalten (Französische Straße 33c und Mauerstraße 74) zwei weitere (Französische Straße 35 und Köpenicker Straße 122) eingerichtet werden. Sie befanden sich sämtlich in reichseigenen Postgebäuden. Die erste öffentliche Fernsprechstelle wurde in Berlin am 15 August 1881 beim Postamt 64 (Unter den Linden) eröffnet.

Mit dem Zeitpunkt der endgültigen Inbetriebnahme der Berliner Stadtfernsprechanlage legte das Reichs – Postamt den weiteren Ausbau und die Betriebsleitung in die Hände der Berliner Oberpostdirektion. Der Ingenieur Emil Rathenau, der bis dahin in einem Zimmer des Telegraphendienstgebäudes Französische Straße von 10 – 12 Uhr vormittags Sprechstunden für das Publikum in Fernsprechsachen abgehalten hatte, setzte dies und die von ihm betriebene Gewinnung von Teilnehmern nur noch für kurze Zeit weiter fort. Anfang Juni 1881 legte er nach insgesamt neunmonatiger Betätigung seine Geschäfte nieder, weil die neue Verkehrsanlage fortan einer besonders für sie wirkenden Werbearbeit nicht mehr bedurfte. Als derselbe Emil Rathenau als Generaldirektor der Allgemeinen Elektrizitätswerke in Berlin am 20.Juni 1915 das Zeitliche gesegnet hatte, unterließ der Staatssekretär des Reichs – Postamts Kraetke nicht, in dem längeren Beileidstelegramm, das er an die A. E. G. richtete, auch jener weit zurückliegenden Tätigkeit Rathenaus zu gedenken, was mit den Worten geschah: „sein Name ist verknüpft mit der ersten Einführung des Fernsprechers in Deutschland.“
Rathenau
Oskar Grosse, 40 Jahre Fernsprecher in Deutschland
Elektrotechnische Zeitschrift
Dinglers Polytechnisches Journal

 





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